Vollmund by Ines Johnson

Vollmund by Ines Johnson

Autor:Ines Johnson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Those Johnson Girls


KAPITEL VIERZEHN

Noch vor einer Sekunde hatte Viviane die Zähne gefletscht, als sie den großen Flegel angeknurrt hatte. Jetzt bebten ihre Lippen, und sie zog sie nach unten, um ihre freiliegenden Eckzähne zu verbergen. Alle Blicke richteten sich auf Viviane, nachdem Jesus seine Vermutung geäußert hatte.

Jesus hatte noch nie ein Geheimnis für sich behalten können. Als sie noch klein gewesen waren, war er immer derjenige gewesen, der ausgepackt hatte, wenn sie bei etwas erwischt worden waren, was sie nicht hätten tun sollen. Jeder wusste, dass man ihm nichts Persönliches erzählen durfte, denn Geheimnisse perlten von ihm ab wie Regen von Glas. Und jetzt hatte er Vivianes persönlichstes Geheimnis gelüftet.

Sie hatte gewusst, dass sie ihrer Familie bald von ihrem Zustand erzählen würde müssen. Sie hatte nur nicht vorgehabt, es an diesem Tag zu tun. Oder am nächsten Tag. Vielleicht in einem Monat, wenn es nicht mehr möglich sein würde, ihre Schwangerschaft zu verbergen. Aber heute? Nein.

Sie brauchte Zeit. Sie brauchte Zeit, um sich wieder an ihr Leben zu gewöhnen. Sie musste herausfinden, wo sie ihren Platz auf dem Gehöft hatte. In der Zeit, in der sie weg gewesen war, hatte sich so viel verändert, und keine einzige Veränderung hatte sie selbst bewirkt. Sobald alle von dem Baby erfahren würden, würde bestimmt nichts mehr so sein, wie es einmal war.

„Mach dich nicht lächerlich.“ Gloria stürmte auf sie zu und schob Jesus zur Seite. „Das würde sie nicht wagen.“

Gloria starrte sie an. Viviane fühlte sich wie eine Fünfjährige, die beim unerlaubten Spielen im Kleiderschrank ihrer Mutter erwischt worden war.

„Du bist nicht schwanger.“ Ihre Mutter blickte auf Vivianes Oberkörper hinunter. „Oder doch?“

Viviane war noch nie vor einer Frage zurückgeschreckt, auf die sie die Antwort kannte. Aber ihre Lippen waren wie zugeschnürt. Wie von selbst wanderten ihre Hände zu ihrem Bauch. Sie spürte ein leichtes Zittern direkt hinter ihrem Bauchnabel. Dann vernahm sie Pierces starke Pranke auf ihrem Rücken.

Sie lehnte sich zu ihm. Langsam wurde ihr das zu einer einfachen, vertrauten Gewohnheit. Sie riss sich von ihm los und richtete sich auf. Sein Beistand war nur von kurzer Dauer. Sie würde das alleine schaffen müssen.

„Ja, das bin ich. Ich bin schwanger.“

Ein Knurren durchfuhr ihre Mutter. Gloria stellte sich breitbeinig hin und fletschte die Zähne. Sie atmete tief in ihre weit aufgeblähten Nasenlöcher ein und hielt die Luft an.

Ein Schauer durchlief Viviane. Sie stemmte sich mit dem Bauch gegen Pierce. Ihre Mutter war zwar jähzornig, aber Viviane glaubte nicht, dass sie ihr etwas antun würde. Ihr Atem stockte in ihrer Brust, als sie darauf wartete, dass ihre Mutter einen Atemzug, ein paar Worte, eine Faust loslassen würde?

„Wie konntest du mir das nur antun?“, jammerte Gloria und warf die Hände in die Luft.

Viviane starrte auf die Hände ihrer Mutter. Sie war völlig fassungslos. Sie verließ den Bannkreis von Pierces Stärke und stürzte sich auf ihre Mutter. „Dir das antun? Was habe ich dir denn angetan? Ich bin doch diejenige, die schwanger ist.“

„Ganz genau.“ Gloria deutete auf Vivianes Bauch. „Und wenn das Kleine erst mal aus deinem Bauch heraus ist“, ihre Mutter deutete mit einer Kralle auf Vivianes Gesicht, „werde ich Großmutter.



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